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Alter Leipziger Bahnhof Dresden

Wenn man dieses Areal rund um den Alten Leipziger Bahnhof in Dresden heute sieht, dann glaubt man es kaum: Dieser Ort ist von besonderer Bedeutung für die europäische und insbesondere deutsche Geschichte!

Als der Leipziger Bahnhof 1839 eröffnet wurde und sich der erste Zug von Dresden nach Leipzig in Bewegung setzte, war damit zugleich die erste Eisenbahnfernverbindung auf dem europäischen Festland in Betrieb genommen worden. Ab 1901 verlor der Leipziger Bahnhof mit der Eröffnung des in unmittelbarer Nähe errichteten Neustädter Bahnhofs seine Funktion zur Personenbeförderung und wurde zum reinen Güterbahnhof umgestaltet. Von dessen Bahnsteigen fuhren dann in den Jahren 1942 und 1943 Deportationszüge ab, mit denen Juden aus Dresden und Umgebung in die Ghettos von Riga und Theresienstadt sowie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und andere Konzentrationslager transportiert wurden.

Es mutet angesichts der hohen geschichtlichen Bedeutung, die diesem Ort - im Positiven wie Negativen - zukommt, schon beschämend an, wie die Stadt Dresden in der Vergangenheit mit diesem Areal verfahren ist – nämlich im Prinzip gar nicht. Es wurde nach der Wende mehr oder weniger seinem Schicksal überlassen, und ein großer Teil der noch erhalten gebliebenen historisch bedeutsamen Gebäudereste und Anlagen verrottete vor sich hin oder wurde abgerissen. Zwischenzeitlich wurde das Areal teilweise beräumt und einer Baumarktkette der Zuschlag zur Errichtung einer Shoppingmall mit den üblichen großen Parkplatzflächen erteilt.

Doch hatte man wohl nicht mit dem beachtlichen Widerstand in der Stadtgesellschaft gegen diese Pläne gerechnet. Und so zeichnet sich mittlerweile eine Wende in der Auseinandersetzung um diesen geschichtsträchtigen Ort ab. Die Ansiedlung eines großen Einkaufszentrums ist verworfen, und stattdessen wurde und wird beispielsweise über die Unterbringung des Verkehrsmuseum bzw. die Errichtung eines jüdischen Museum auf dem Gelände des alten Leipziger Bahnhofs diskutiert. Noch ist diesbezüglich vieles offen und nichts ist entschieden, doch eines steht bereits fest: Unter Beteiligung verschiedener Akteure aus der Zivilgesellschaft - wie beispielsweise der „Initiative Wohnen am Leipziger Bahnhof“ - beginnt nun die „städtebauliche und freiraumplanerische Neuordnung“, die unter Wahrung der geschichtlichen Bedeutung dieses Ortes die Errichtung eines „kleinteiligen und grünen Stadtquartiers“ zum Ziel hat.

So erfreulich und begrüßenswert diese Entwicklung der Dinge letztlich auch ist, bedeutet die sich andeutende Umgestaltung des Gebiets um den Leipziger Bahnhof aber auch das Ende für einen bis dato ziemlich einmaligen Erlebnisraum mitten in der Stadt. Jedes Mal, wenn ich mich fotografierend durch das Areal bewege, habe ich das Gefühl, mich mitten in einer wohltuend gleichgültig die Relikte der Vergangenheit überwuchernden, wildwüchsigen Naturlandschaft zu befinden, in der man die Geräusche des pulsierenden Großstadtlebens nur noch gedämpft und von Ferne wahrnimmt. Diese Stadtlandschaft wirkt dann wie ein verwunschenes, anarchisches Paradies, das zugleich einen „Freiraum“ für improvisierte und temporäre Nutzung darstellt, die - beispielsweise, wenn sie lediglich in der wilden Entsorgung von Elektroschrott besteht, - nicht immer Gefallen finden kann. Und nicht zuletzt auch dadurch, dass dieses Areal im Sommerhalbjahr einen Rückzugsort für obdachlose Menschen darstellt, ist es zugleich auch Sinnbild für die Widersprüche unserer (Stadt-)Gesellschaft.

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