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Was ist Heimat?

Die hier gezeigten Aufnahmen entstammen einem mehrtägigen Workshop, an dem ich im Frühsommer 2019 teilnahm und dessen Thema die fotografische Auseinandersetzung mit dem Thema „Heimat“ bildete. Schon im Vorfeld dieses Foto-Workshops, der in Mittelherwigsdorf – einer kleinen Gemeinde in der sächsischen Lausitz in der Nähe von Zittau – stattfand, aber auch während des Workshops selbst und erst recht danach – beim Sichten und Aufarbeiten meiner Fotos – war ich mir immer meines doch recht gebrochenen, ambivalenten Verhältnisses zum Heimatbegriff bewusst. Genau diese innere Einstellung hat mich gereizt, mich an diesem Thema zu reiben.

Meine Haltung zu Heimat ist wohl häufig eher ironischer, manchmal auch sarkastischer Natur. Dabei geht es mir jedoch niemals um einen konkreten Ort. Es wäre auch anmaßend, wollte ich die Gegend um Mittelherwigsdorf hinsichtlich ihres „Heimatpotenzials“ fotografisch erkunden. Das können – wenn überhaupt – sowieso nur diejenigen, die dort wohnen und „beheimatet“ sind. Was „Heimat“ für mich ist oder sein könnte, ist mir allerdings häufig selbst nicht wirklich klar und bewegt sich wohl eher im Kontext meiner Beziehungen zu Menschen als zu geografisch beschreibbaren Orten.

Mittelherwigsdorf bot mir daher die Möglichkeit und das Material, mich mit meinem eigenen, "inneren" Heimatbegriff – mit Gefühlen, Ängsten und Hoffnungen - auseinanderzusetzen. Das Medium Fotografie erlaubt es mir dabei, diesen doch eher diffusen Momenten und Gefühlslagen näher zu kommen.

Letztlich – das machte mir auch dieser Workshop deutlich - ist Heimat für mich eher etwas Zukünftiges, im positiven Sinn Utopisches, von dem in der Gegenwart lediglich Verweisstücke auftauchen. Diese Fingerzeige sehe ich selbst noch – oder sogar gerade - in denjenigen meiner Aufnahmen aus Mittelherwigsdorf, die einen eher melancholisch-ironisch-sarkastischen Ton anschlagen. Ich musste daher bereits während des Workshops an eine für mein Empfinden wunderschöne Beschreibung von Heimat denken. Sie stammt von Ernst Bloch aus seinem gemeinhin als Hauptwerk bezeichneten Opus magnum „Das Prinzip Hoffnung“ und lautet:

„Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."

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